Phalli – Lustspiel in zwei Akten

24. August 2020 Säulen

Von Leo Motyka

„Warum wurde ich in diese dürftige Winterlandschaft hinein gestellt?“
– Die Säule

Schnöde Architekten, die schnöde Phallussymbole in die Gegend stellen, schnöde Regisseure, die sich hellfleischfarbene Phalli gut zwischen den anderen weißen Phalli vorstellen können und schnöde Pornodarsteller, deren Phalli sich inmitten dieses alt-griechischen, ehrwürdigen Ursprungs standhaft in die Landschaft einreihen und hoffen, groß genug zu sein, weil… ja weil das so eine Regel unter den Phalli ist… sich wünschen mit Europa davon zu reiten, sich wünschen, sie könnten auch reitend einen Kontinent benamen.

Säulen können ja übrigens einen Rhythmus in die Landschaft stellen. ABBA zum Beispiel. Oder AABAAB. Diese Säulen hier in diesem Bild, sehen Sie, haben einen sehr eintönigen Rhythmus: AAAA. Der Rhythmus von 50.000 zu Helene Fischer die Hände auf 1 und 3 aneinander schlagenden, trachtentragenden und sich überlegen Fühlenden mit unaufgeregter DNA in großen Hallen. Den Rhythmus eines Schlagers haben diese Säulen.

Ups, wir waren bei Kontinent benamen: Und dann noch so einen erhabenen Erdflatschen, für Großes bestimmt, bestimmt. So werden wir es uns im Nachhinein einreden und dann hoffentlich wieder ausreden. Diese Blutlinie, die Blutvergießen liebt. Das Zentrum der Welt quasi, oder so.
So ein Zentrum der Welt, wie ein Theaterregisseur. So ein Theaterregisseur ist ja immer das Zentrum einer Welt. Die er erschafft, der Erschaffer, das Genie, und das ganz alleine aus seinem tollen Kopf. Weil in diesem tollen Kopf feuern die herausragendsten Neuronen. Wow. Beispielsweise so ein Theaterregisseur, so ein bestimmter, der sich die Metamorphosen von Ovid auf dieser 10x20m Fläche… äh Bühne zusammenonanierte, indem er jede Vergewaltigung von Zeus als Liebesgeschichte inszenierte, in der sie, die Kaltherzige, nicht wollte, und er, der arme verletzte Mann, eh sorry -Gott (der tolle Zeus nämlich) so erschüttert in seiner Allmachtsphantasie, äh Liebe, in seiner armen, unerwiderten, abgelehnten Liebe, der arme arme Mann, eh sorry – Gott, sich dann halt die Lady schnappte, weil… ja weil… sie rannte halt so süß weg. Und überhaupt. Was schaut sie so. Sich um. Soll sie sich mal entscheiden. Was für Zeichen sie sendet. Verwirrend ist das aber auch.

Tausende Seiten wie ein Dude rumvergewaltigt, und das ist aber auch wirklich wichtig jetzt, dass man das millionenmal auf Bühnen zeigt. Weil hallo, das sind allgemein männliche… eh sorry – menschliche Probleme. berührend. Und überhaupt. Wiege der Kultur, der Kultur der Phalli. Der Phalli die auf diesen tollen subventionierten Sitzen der Kultur sitzen, der griechischen Tragödie.

Verfallend sehen sie aus, die weißen Phalli da auf dem Bild. Risse haben sie, versteckt am Rücken. Lass es ein Sentimentalitätsfetisch-Porno auf die gute alte Zeit sein. Bitte. Und kann ich den Untergang dieser Welt bitte noch miterleben. Bitte.

Dialog aus Sicht der Säulen.

Säule 1: Psst, Säule 2, du hast da was am Rücken, sieht aus wie ein Riss.

Säule 2: Dein Ernst? Fuuuck.

Säule 1: Tritt hervor, seufzt, und hält einen dieser erhabenen genialen Männermonologe, denen man so gerne folgt..

Seit 7 Jahren stehe ich hier mit dem Riss an meinem Rücken rum, zuerst hat es nur leicht oben rechts gekratzt, und dann beständig, bahnte er sich seinen Weg. Die anderen sehen ihn nicht. Ich will am längsten stehen. Keine Ahnung was wir für einen Bogen halten. Vielleicht die Idee einer Einigkeit, einer weißen. Aber lol altes Griechenland, Europa. Alles bekommt Risse mit der Zeit. Das ist schwer zu verkraften, können Sie sich vorstellen. Auserwählt bin ich gebaut worden. Jeder Stein groß. Standhaft ewig. Ich war doch auserwählt, erinnert zu werden, Geschichte geschrieben zu haben und zu überschatten. Geschichten zu löschen und eigene einzuschreiben. Mein Erbe zu schreiben. Ein Auge sollte man auf mich gehabt haben. Nur ein schönes Leben gehabt haben. Auf fremden Rücken. Das war doch noch bis vor Kurzem so. Das war doch der Deal. Die Rechtfertigungen hatten sich schon meine Ahnen für mich ausgedacht. Diese Arbeit war schon erledigt. Die Menschen eingeteilt. Untergeteilt mit den raffinierten Konstrukten, die sie irgendwann auch selbst glauben sollten, sich selbst teilen und ordnen sollten, die anstrengende Unterwerfungsarbeit selber erledigen sollten, diese Arbeit wurde doch ausgelagert, die Konstruktion vergessen gemacht, sodass sie zum Gerüst der Wirklichkeit wurde. Die Wirklichkeit ist die Natur. Denn an der Natur ist nicht zu rütteln. Vor der Natur gab es nichts, die Natur war immer da, die Natur ist heilig. Wir bestimmen die Natur. Gegraben nach den Wurzeln wird nicht. Und jetzt. Die ganze Arbeit der Linie meines Blutes zunichte gemacht. Harte Arbeit, können Sie sich denken. Jahrzehntelange Arbeit. Viel Verantwortung hin und her geschoben, bis keiner mehr die Verantwortung hatte, bis sie verloren gegangen war. Viel den Kopf beim Phantasieren über Rechtfertigungen zerbrochen. Das ist alles Denkarbeit, das sag ich Ihnen. Den Kopf kann man trainieren, aber bitte schlecht will man sich nicht fühlen, ne. Bitte nicht. Und diese Arbeit meiner Ahnen ist mein Erbrecht. Und das Haus am Wörthersee. Aber die Verantwortung. Die wurde nicht vererbt. Die finden wir leider nicht mehr. Die ist noch irgendwo vergraben, wo weiß ich nicht, bitte nicht graben, bitte nicht in meiner Geschichte graben, da gehört Gras drüber gewachsen, bitte, bitte nicht das Gras beim Wachsen stören, bitte das Gras nicht betreten, bitte auf den alten Wegen bleiben, die habe ich hier schön für sie schon gepflastert. Na was machen Sie denn da, bitte nicht betreten habe ich doch gesagt… halt halt halt… schauen Sie hier, wir haben ein Stück über Feminismus im Spielplan. Zufrieden? Bitte um zufrieden sein. Aber das verstehen Sie schon, dass sich jetzt auch nicht jedes Stück mit diesem Thema auseinander setzen kann, zu eintönig, nur eine Diskriminierungsform pro Spielzeit bitte. An mir liegst ja nicht, das Publikum versteht nicht, ich würd ja, aber die Abonnenten… aber wir haben uns doch jetzt bemüht, darum gehts doch, um den guten Willen, da sind sie doch auch zufrieden, da haben Sie doch was Sie wollten, und wir können schön alle auf unseren subventionierten, kulturschaffenden Stühlen sitzen bleiben, die Sitzordnung bitte nicht verändern. Wir biegen uns ja auch ein wenig. Meinetwegen auch Ihnen entgegen. Aber nur so viel, wie wir noch sitzen bleiben können. Ich kann mich nicht umsetzen, gar auf den Boden, das Polster hat sich doch schon an die Form meines Popsch angepasst. Halt. Was machen Sie denn da… das ist mein Stuhl! Den wollen sie gar nicht, ich hab da schon reingepupst! Bitte… bitte nicht…

Man hört einen Riss langsam knacken

VORHANG