Von Lena
Im tiefem Wasser fühle ich mich geborgen. Diese kühle, feuchte und weiche Hülle. Sanft glitzernd erwecken die Reflektionen und Refraktionen, auch Beugungen, Vorfreude auf Licht und Wärme. Die matten Schatten lassen auf eine Überquerung und nicht allzu große Behausungen schließen. Und dazwischen?
Auch ich möchte mich spiegeln und beugen. Das dazwischen füllen und auftauchen in das Leben.
Noch nie zuvor war ich hier.
Höre Möwen graick graick und ein Rararaschscheln. Rieche Algen, Waschmittel und auch etwas Modriges. Erinnerungen kommen hoch an die Bretagne. Oft gemeinsam mit meiner Familie bereist, da meine Mama, nein sie wird nie eine Mutter sein, das Meer liebt und mein Papa schlicht Fan ist. Fan von Frankreich, mit seinen widerständigen Menschen und ihrem gourmetgleichen Essen. Ganz besonders Austern. Glitschig frisch glänzend. Zitronig und pfeffrig in einen Mund gleitend. Meinen Mund.
Klettere auf bemuschelte Felsen. Kratzend, beschäftigen sie mich mühsam. Fast zurück ins Wasser rutschend, lässt mir mein Spekulieren keine Ruhe. Könnte mich auch in Leith, Marseille oder Amsterdam befinden. Oder? Anstatt overthinking noch mehr Raum zu geben, ziehen meine Arme meinen Körper kraftvoll und neugierig hoch.
Eine Ufermauer. Es ist diese Andeutung von Hafen, die mich ankommen lässt. Die Luft ist wärmer als gedacht, klar und fühlt sich ungewohnt an. Ich öffne mich. Ich erhebe mich. Bin ergriffen von scheinbar soften Strukturen. So versuche ich mich auf sie einzulassen und zunächst ihre Massen und Muster in Gedanken zu erforschen.
Symbiosen von Brandwänden, Bäumen und Wolken. Wie sie sich in ihrer fast heimlichen Raumnahme einig sind, gefällt mir. Ich gebe ihnen ein like und möchte ihre Pflanzlichkeit und Materialitäten berühren. Ihre Rauigkeit und Texturen spüren. Würden meine Finger eintauchen oder abgestoßen werden?
Ich taste meine langsam trocknende Haut. Zumeist zart, hin und wieder knubbelig mit kleinen festen Hindernissen. Vermeintlich stabiler als Wolken, flexibler als Brandwände und weicher als das Laub der Bäume. Würden sie doch wie diese sanfte Seebrise, die Haare meines Körpers berührend, mir entgegen kommen. Ohne drängen akzeptiere ich ihre Distanz. Das Stoffliche aus dem Fenster hängende, sich die Wand aneignende. Das eine straff und opak, dass andere gedehnt, in Bewegung. Es schmeichelt. Es tänzelt. Es läd mich ein und mein Körper nimmt schüchtern an. Schwingt mit der Hüfte. Sie wird zu meiner Hüfte. Spüre die Anspannungen und Entspannungen meiner Muskeln. Ich schwitze. Konzentriere mich auf die leise Musik, die kaum hörbar aus dem offenen Fenster dringt. Meine Ohren genießen die Impulse. Entgegen meiner Vorurteile ist sie alles andere als altbacken. Lockere meine Haare, um ihre Bewegungen auch mit ihnen zu imitieren und in Fluss zu kommen. Mein Atem wird ausgeglichen.
Der Geruch von Rauch, Kaffee und herbem Parfüm mischt sich mit der algenangereicherten Seebrise.
Wippend fast tanzend schlendere ich durch diese Stadt, angezogen von meinen Bedürfnissen, die sie in mir erweckt. Eine Ahnung von menschlichem Dasein. Genieße driftend das dérive. Ich sehne mich nach Kontakt. Mein Blick erprobt das unlearning ihres Genders, ihrer Race, ihrer Zuschreibungen und fragt sich wie sie sich ihrer Stadt zugehörig fühlen? Welche Praktiken, Politiken und Beziehungen ihre Stadt hervorbringt? Wie schmeckt ihre Stadt?
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